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Lars Golenia ätzt in seiner Webshow seit Jahren gegen das TV-Programm. Auch wenn er damit quasi jede Folge das gleiche macht, sein Humor kommt an. Ist es da nicht gerecht, dass der angehende Lehrer tagsüber von „Berlin – Tag & Nacht“-Fans umzingelt ist?

Ein Technik-Fanatiker ist Lars Golenia wohl nicht. Wenn er skypt, dann funktioniert sein Mikro wahrscheinlich nicht sofort, auch das mit dem Video nicht. Gerade erst den Rechner neu aufgesetzt, kein Problem.

Wie ein Blick in die Wohnzimmer, ein bisschen überzogen, das sei seine mittlerweile 54-teilige Web-TV-Reihe „fern gesehen“. „Ich fasse Fernseh-Sendungen satirisch zusammen, mache mich über sie lustig, ziehe sie durch den Dreck und versuche am Ende noch so etwas wie eine Moral zu ziehen“, sagt Lars. Pro Folge erreicht er damit ein paar zehntausend Menschen.

Ob er der Grinch der TV-Industrie ist? Komische Frage. „Aber dafür bin ich leider ein wenig zu machtlos. Ich würde das Fernsehen gern klauen, einfach zu RTL gehen und alles wegnehmen.“

Zwischen TV-Wahnsinn und dem Ernst der Sache

Lars ist nicht unbedingt der nachdenkliche Typ. Als Fernsehkritiker würde er sich nicht beschreiben, eher als Fernsehparasit. Und manchmal klingt er fast schon zu ernst, wenn er über sein Web-Format Auskunft gibt: Seine Arbeit, das Anschauen von TV-Sendungen, werde eben auch nicht einfacher. „Man erarbeitet sich Fähigkeiten, das Fremdschämen zu überwinden. Nur wird das halt immer schlimmer“, meint er. „Wenns gar nicht geht, spule ich vor und denke: Vielleicht findest du ja irgendwann nochmal die Kraft, das anzusehen.“

Es kommt ihm auf den Inhalt an, Windows XP ist er bis 2013 treu geblieben. Viele Jahre hat er seine Videos mit dem Movie Maker geschnitten. „Ich brauche ja keine High-Tech-Ausrüstung“, erzählt er. „Ich finde, mein Humor braucht kein HD-Format oder irgendwelche Special-Effects.“ Es geht nicht um Optik, sondern ums Timing.

Das Fernsehen pusht die kleinste Banalität hoch in den Himmel. Lars: „Theoretisch könnte ich auch jeden Monat die gleiche ‚fern gesehen‘-Folge hochladen und nur die Ausschnitte tauschen.“ Das Fernsehen habe nichts zu zeigen, und doch nimmt sich Lars immer wieder Zeit, dieses Nichts neu zusammenzuschneiden. „Je nach Fremdschämfaktor sitzt man da zwei bis drei Stunden davor. Das ist ja das Schlimme, man muss es mehrfach schauen“, erklärt der 26-Jährige.

Während Lars aus seiner unauffällig eingerichteten Studentenbude zugeschaltet ist, lädt er ein neues Video hoch. Immer wieder schaut er, wie lange der Upload noch dauert. In der nächsten Sendung wird er sich „Teenagern in Not“ widmen, ein bisschen Arbeit hat er da noch vor sich.

Doch warum tut er sich das an? „Ich will den Leuten eine Alternative zeigen“, sagt er, sechs Jahre nach der verhauenen Aufnahmeprüfung fürs Medienstudium. „Und es ist beeindruckend, dass immer mehr Leute meine Sendungen anschauen.“

Journalist – das ist er nicht, auch wenn er das vor einigen Jahren noch studieren wollte. Aber nein: „Da muss man arbeiten, so viel recherchieren, das ist gar nicht meins.“ Heute macht er sich über Begriffe wie Zielgruppe überhaupt keine Gedanken mehr. „Facebook sagt, meine Zielgruppe ist zu 75 Prozent männlich, ist zwischen elf und 35 Jahren alt und interessiert sich für Computer und Online-Games.“

Der Erfolg von „fern gesehen“? Das verspielte Vertrauen der Zuschauer in die großen Sender, besonders bei Unterhaltungs- und Dokutainment-Formaten. Die Fernseh-Industrie selbst straft ihn dafür mit Ignoranz. Die komplette Branche? Nein, RTL-Streatworker Thomas Sonnenburg hat einst erzürnt angerufen: Er sprach über Rufmord, Medienanwälte, er war so gar nicht wie der nette Onkel aus dem Fernsehen.

„Herr Golenia, warum mögen Sie ‚Party Bruder‘ nicht?“

Doch Lars ist niemand, der sich seine Meinung schnell ausreden ließe. Immerhin studiert er im letzten Semester Lehramt und arbeitet seit einigen Monaten als Honorarkraft an einer Hauptschule. Dort hat er die potentielle „Berlin – Tag und Nacht“-Generation vor sich sitzen. Doch übers TV redet er mit den Schülern selten.

Von seinem Doppelleben als Fernsehkritiker – Entschuldigung, Fernsehparasit – wissen nur wenige Schüler. Aufregung, wuhu, danach Unverständnis. „Herr Golenia, warum mögen Sie ‚Party Bruder!‘ nicht?“ Hat er versucht zu erklären, habe nichts genützt. Dass seine Sendung mitunter selbst sehr vulgär ist – kein Ding. „Da kann ich nichts mehr kaputt machen“, sagt er.

Das Web macht die neuen Stars

Lars, der ist tatsächlich so wie er in seiner Sendung rüberkommt. „Ich bin keine Rampensau, aber schüchtern bin ich auch nicht.“ Seine erste Box mit Autogrammkarten ist mittlerweile alle, immerhin ist „fern gesehen“ mit bis zu 200 Euro pro Monat ein guter Nebenverdienst. Wenn es irgendwann mehr wird? „Dann weiß ich auch nicht was passiert!“

Beispiele für den vermeintlich schnellen YouTube-Erfolg gibt es dagegen einige. „Herr Tutorial“ ist einer davon, von seiner Art fast schon der Gegenentwurf. „Ich bin nicht neidisch auf ihn. Aber ich bin wütend, dass so was zieht!“, sagt Lars. Und da ist er wieder, der Satiriker. Wobei – er meint es ernst: „Ich bin wütend, dass es so viele dumme, ich muss es so sagen, so viele unglaublich dumme Leute gibt, die das gucken.“

Er selbst verliest seit neuestem Falschnachrichten über YouTuber, sieht sich nicht als Webstar. „Dafür gehen mir die vielen Leute, die was von mir wollen, zu sehr auf die Nerven!“ Immerhin ehrlich.

Ob sich im TV je etwas ändern wird? „Wir können da lange draufhauen, aber irgendwann wird das langweilig, müde, das gleiche.“ Doch dann überlegt er kurz, schaut nach unten. „Auf der anderen Seite“, beginnt er, fast hätte er gegrinst, „ein kleines bisschen will ich ja auch nicht, dass solche Formate wegbrechen.“ Dann hätte er ja keine Arbeit mehr, hier vor seiner Webcam.

Von Marcel Fröbe. Der Artikel erschien am 13. Februar 2013 auf medienMITTWEIDA.

Am 29. August startete der Mediendienst kress mit Mobilszene.de einen Infodienst für die Mobil-Branche. Der Verantwortliche Redakteur Christian Lohmüller zieht im Interview eine erste Bilanz und verrät, warum der Newsletter und nicht die Website der wichtigste Kanal für sein Portal ist.

Außerdem beantwortet er im Gespräch mit Marcel Fröbe die Frage, ob es für einen neuen Mobil-Dienst nicht schon etwas spät ist – welche inhaltlichen Ziele er sich gesetzt hat – und er erklärt, warum noch immer ein Beta-Label auf der Website prangt.

Wie lief der Start von Mobilszene.de?

Bisher lief alles ganz gut, mit der Entwicklung sind wir mehr als zufrieden. Es gibt einen stetigen Trend nach oben. So kurz nach dem Start ist man aber natürlich noch nicht dort, wo man sich wirklich sehen will.

Gibt es schon Feedback von Seiten der Nutzer?

Die Leute lesen den Dienst gerne, über die Themenmischung haben wir bislang auch nur Positives gehört. Ich denke, wir sind auf bestem Wege, dass bei der Themenmischung eine eigene Handschrift deutlich wird.

Ihr bietet einen Newsletter an, seid natürlich auch über alle anderen Kanäle verfügbar. Etwas provokant gefragt: Wollt ihr überhaupt Nutzer auf eurer Seite?

Unser Hauptaugenmerk liegt auf den Newsletter-Abonnenten. Visits sind auch wichtig, aber das zentrale Element ist der Newsletter. Und dass wir mit Veröffentlichungen auf Twitter oder Facebook die Öffnungsrate im Newsletter beeinflussen, habe ich bisher nicht festgestellt.

Wie wichtig ist denn der Newsletter für Mobilszene.de?

Das kommt auf die Art des Konsums an. Wenn man viel unterwegs ist, verlässt man sich schon auf den Newsletter. Man sucht nicht jede Website auf, die einen interessiert. Deshalb denke ich schon, dass Informationen bei der mobilen Nutzung gepusht werden müssen. Und nicht, dass sich der Nutzer die Informationen aktiv holen muss. Das ist anders als im stationären Internet.

Also ist die Website ein Nebenbei-Produkt?

Die Website ist optimiert für die mobile Nutzung. Sie liest sich gut auf Smartphones oder auf Tablets. Wer jetzt nicht unbedingt auf den Newsletter warten will, der kann sich auch auf der Website updaten – oder wenn er bei Twitter auf den Link klickt. Das ist die Aufgabe der Website. Zudem bietet die Seite mehr als der Newsletter. Wir haben beispielsweise eine Termin-Datenbank, die nicht im Newsletter mitgeliefert wird.

Ob Newsletter oder nicht: Im Endeffekt, berichtige mich, seid ihr ja auch nur ein neuer Mediendienst.

Ein neuer Mediendienst für neue Medien, ja.

Ist aber dieser Markt für „neue“ Mediendienste nicht schon überfüllt?

Mobilszene.de bewegt sich abseits von MEEDIA und DWDL, W&V und Horizont. Die sind ja eher dort zugange, wo auch kress ist. Mobilszene.de ist dagegen streng auf Mobile fokussiert. Das ist unser roter Faden. Ich frage mich bei allem: Ist das relevant für Leute, die mit mobilen Endgeräten zu tun haben?

Dabei richtet sich Mobilszene.de nicht nur an Medienunternehmen, sondern unter anderem auch an Händler. Mobile Payment und Mobile Commerce spielen für uns eine große Rolle. Das sind Sachen, die kress nicht abdeckt.

War es nicht ein bisschen spät, im August 2012 noch mit einem Mobil-Dienst zu starten?

Natürlich! Es wäre schön gewesen, wenn man kurz nach dem Launch des iPhone online gegangen wäre. Doch als Unternehmen braucht man für so etwas immer Zeit, sondiert die Märkte, schaut welche Produkte interessant sind, wo Potentiale sind. Und wenn man das erkannt hat: Wieso noch länger warten? Dann lieber möglichst schnell einsteigen.

Könnte Mobilszene.de als Vorbild für weitere spezialisierte kress-Ableger dienen?

Zu den Planungen der Gesamtmarke kress kann ich natürlich wenig sagen. Momentan konzentrieren wir uns – und vor allem ich mich – vollkommen auf Mobilszene.de.

Dort arbeitest du als Verantwortlicher Redakteur quasi im Alleingang an den Inhalten. Sind denn diese Ein-Mann-Redaktionen die Zukunft?

Hmmm… Schwer zu sagen, ich weiß es nicht! Spezialredaktionen sind ja oft effizient besetzt. Ob das jetzt die Zukunft ist, bleibt abzuwarten.

Das heißt, diese Arbeitsweise hat auch Nachteile?

Momentan würde ich nicht sagen, dass es Nachteile hat. Es läuft gut.

Wo möchtest du inhaltlich mit Mobilszene.de hin?

Wenn man sich unser Produkt anschaut, dann besteht das ja aus dem aggregierten Teil und aus den etwas hintergründigeren Geschichten. Ich hätte gern etwas mehr eigene Sachen. Schon um das Produkt unterscheidbarer zu anderen zu machen, damit wir über diese exklusiven Inhalte ein eigenes Profil aufbauen.

Dennoch: Der Mobile-Trend in der Berichterstattung scheint schon längere Zeit abzunehmen.

Dass Apple wieder auf den Boden zurückkommt und dieser ganze unnatürliche Hype abflacht, mag sein! Aber dass Mobile abflacht glaube ich nicht. Je alltäglicher Mobile wird, desto höhere Bedeutung hat es. Dann wäre Mobilszene.de quasi eine Pflicht-Lektüre.

Dass Bild.de das übernächste iPhone nicht mehr als Aufmacher hat, kann sein. Aber viele andere wichtige Dinge sind auch nicht in der Bild, von daher könnte ich damit leben.

Das klang ja fast schon Apple-kritisch!

Nein, ich bin nicht kritischer gegenüber Apple als gegenüber anderen Herstellern. Ich habe keine extrem emotionale Einstellung gegenüber irgendeinem Hersteller: Ich habe sowohl ein iPhone als auch ein Android-Gerät.

Mobilszene.de hat ein zugespitztes Themengebiet, aber eine sehr breite Zielgruppe. Ist das nicht ein möglicher Fallstrick, wenn man zum einen für Entwickler, zum anderen für Medienunternehmen schreibt und für den Interessierten, der mal ein iPhone in der Hand hatte?

Es klingt zuerst schon umfangreich. Wir dürfen uns aber keine Illusionen machen: Die Hardcore-Nerds, die nur ihren Code rein hacken, die werden wir nicht bekommen. Hauptaugenmerk von uns ist immer auch die wirtschaftliche Perspektive von Mobile, nicht die technische. Das ist das Bindeglied.

Wie siehst Du die Zukunft von Mobilszene.de?

Wir haben ja immer noch das Beta-Label oben dran, wir sind noch nicht ganz fertig. Erst, wenn es an keiner Ecke mehr Zipperlein gibt, kommt das weg. Gerade werden aber die letzten größeren Bugs behoben und das Beta-Label wird sehr, sehr bald verschwinden. Jetzt schon vom nächsten Schritt zu sprechen, wäre etwas früh.

Das Interview führte Marcel Fröbe. Es erschien am 11. Oktober 2012 auf medienMITTWEIDA.

Während des RTL-Drehs: „Schulermittlerin“ Sarah Liu spricht über kuriose Fan-Treffen, den Begriff Fließbandarbeit und darüber, was sie an Laienschauspielern fasziniert.

Sarah Liu sitzt in ihrem Hotelzimmer, irgendwo in Deutschland. Sie ist viel unterwegs, auf Drehs, gibt Seminare, gerade wartet sie. Sie wartet, bis die Dreharbeiten starten. Ab 27. August wird die ausgebildete Schauspielerin und studierte Pädagogin wieder in der quotenstarken Scripted Doku „Die Schulermittler“ als Sozialarbeiterin zu sehen sein – und dabei „den betroffenen Teenagern einen Ausweg aus der Gewaltspirale zeigen“, wie in der RTL-Pressemitteilung formuliert. Das Team musste sich anfangs etwas eingrooven, sagt sie; die kommende Staffel des 17-Uhr-Formats wird von „Hi-Five TV“ produziert.

Mittlerweile ist die Hälfte der neuen Staffel abgedreht, Drehpause bis zum 12. August.

Doch die frühere „Ehrensenf“-Moderatorin ist anders als sie der RTL-Zuschauer vielleicht kennt, irgendwie lockerer, sie lacht viel. Sarah hat parallel eine Ausbildung zum Business- und Personal-Coach abgeschlossen, engagiert sich für „wünschdirwas“ und ist ehrenamtliche Sprecherin für die „Tönende Illustrierte“. Trotzdem wird sie für viele „Die Schulermittlerin“ bleiben.

Bist du privat so wie in deiner Rolle als Sarah Lee?

Ich habe auf jeden Fall viele Anteile von ihr. Ich habe auch so ein kleines Helfersyndrom, aber bei der Sarah Lee ist das ja doch sehr ausgeprägt – das habe ich nicht. In der Realität bin ich aber noch ein bisschen taffer!

Noch taffer – geht das?

Wie, geht das? Ich bin doch total nett und emotional und so was! (lacht) Also: Ich habe grundsätzlich nicht die Neigung, jeden den ich sehe, in den Arm zu nehmen.

Was fasziniert dich am „Schulermittler“-Dreh?

Am meisten beeindruckt mich, dass ich so viele unterschiedliche Leute kennenlerne. Wir arbeiten ja mit echten Menschen zusammen, also mit Laiendarstellern. Und ich finde es immer ganz spannend, wie du die Leute einschätzt und was sie dann in der Realität machen.

Und was machen Laiendarsteller im echten Leben?

Das ist ganz unterschiedlich. Wir hatten in der letzten Staffel einen, der früher mal als Porno-Darsteller gearbeitet hat und mir ausführlich von seinem Job erzählt hat.

Hier frage ich jetzt besser nicht nach, oder?

Nein, besser nicht! (lacht) Er hatte eine Tiger-Unterhose an. Die Rolle passte also zu ihm! Es ist immer spannend zu schauen, ob die Leute einen Hintergrund haben, der zu ihrer Rolle passt. Gerade haben wir einen, der einen unterdrückten, verschlossenen Vater spielt. Der ist im echten Leben Außendienstler – quasi das komplette Gegenteil.

So ein Drehtag ist ja aber auch Fließbandarbeit…

Ich bin dagegen, zu sagen, dass wir Fließband machen! Wir drehen jeden Tag an einer anderen Location und haben ein Team, das sich sehr, sehr viel Mühe gibt. Wo auch jede Story wichtig ist! Wir machen aber keinen „Tatort“. Wir haben ein sehr begrenztes Budget und nur zwei Tage für 23 Minuten. Insofern muss es schon schnell gehen, das erfordert Konzentration, Spontanität.

Euer Format ist in einige Länder verkauft worden, die deutschen „Schulermittler“ laufen aktuell auch synchronisiert in Frankreich. Hast du das denn schon mal gesehen?

Nein! (schockiert) Ich habe das noch nicht gesehen. Wenn mir irgendjemand das besorgen kann, dann her damit! Und ich muss unbedingt hören, wie meine Stimme synchronisiert klingt. Wenn ich mir das schon vorstelle: Wenn du meinen Kollegen Heck hast, und die Franzosen sprechen ja das H nicht, dann geht das die ganze Zeit so „Sarah Lee et Monsieur Eck“… Das muss ich unbedingt sehen!

Ist das nicht ein komisches Gefühl?

Es ist auch ein komisches Gefühl, sich auf Deutsch zu sehen! Man denkt oft: „Oh Gott, was machst du denn da?“ Es gibt glaube ich niemanden, der sich selbst im Fernsehen sieht und denkt: „Boah, ich bin so toll, sehe ich super aus!“

Und was denkst du, wenn du dich selbst siehst?

Da bin ich ziemlich kritisch. Klar bin ich manchmal ganz oberflächlich unzufrieden mit meinem Aussehen, wir arbeiten ja ohne Licht und haben auch keine Maske. Das wichtigste ist aber, dass ich mir selber glaube. Und wenn ich Momente sehe, die ich gespielt finde, dann ist das definitiv etwas, woran ich lerne und wachse.

Was hättest du denn als Schülerin gedacht, wenn plötzlich so ein „Schulermittler“ in deine Klasse geplatzt wäre?

Kommt darauf an, was er will. In den Fällen ist es meist so, dass sich Jugendliche an uns wenden und Unterstützung einfordern. Ich meine, es gibt „Schulermittler“ in der Form nicht, aber es gibt Sozialarbeiter, Jugendzentren, Ämter – es gibt Anlaufstellen, die Jugendlichen helfen, wenn sie nicht weiterwissen. Das ist ja auch das, was wir mit dem Format vermitteln wollen: Hol dir Hilfe! Das ist ein ganz wichtiger Aspekt der Sendung und der Grund, warum sie so erfolgreich ist: Weil es wirklich Menschen gibt, die sich kümmern.

Ihr fangt aber auch Leute vom Schulhof, die gerade im Supermann-Kostüm rumspringen und meinen, die Welt retten zu müssen.

Diese Sendung habe ich nicht gedreht.

Hättest du so etwas gedreht?

Ja, wahrscheinlich mit Kommentar, was das jetzt gerade für einen Sinn macht.

Generell schwächeln bei RTL einige ehemalige Quotengaranten – auch am Nachmittag. Drückt das nicht auf die Stimmung am Set der „Schulermittler“?

Nö, null. Wir können nichts tun außer so gut wie möglich unseren Job zu machen, so spannende Fälle wie möglich umzusetzen und das so authentisch wie möglich zu drehen.

Es soll trotzdem Veränderungen geben. Sind vielleicht gerade vor dem Hintergrund die Storys emotionaler oder „krasser“ geworden?

Nein, da sind wir vom Jugendschutz her sehr gebunden. „Die Schulermittler“ sind eine sehr verharmloste Form von dem, was tatsächlich an den Schulen abgeht. Wir können Themen nur ansprechen, aber: Die krasse Realität, wie sie an den Schulen stattfindet, dürfen wir nicht zeigen.

Welche krasse Realität?

Wir hatten auch bei den Drehs schon brenzlige Situationen, die zu hart wären um sie bei uns jemals in einer Folge vorkommen zu lassen. Wir drehen an echten Schulen, mit echten Schülern. Wir bekommen die Dramen natürlich mit. Wenn sich Gangs mit Butterfly-Messern gegenüberstehen, überlegst du dir auch als Erwachsener drei Mal, wie du damit umgehst. Das ist bei uns alles sehr verharmlost.

Meinst du, ihr könnt mit eurer Serie etwas verändern?

Das hoffe ich. Aber kann man mit einer Sendung wirklich etwas verändern? Ich glaube, das kann nicht durch eine Serie passieren. Ich freue mich aber sehr, dass sich die Zuschauer durch uns unterstützt fühlen. Wenn einige durch die Sendung den Mut aufbringen, sich professionelle Unterstützung zu holen, dann haben wir viel erreicht. Außerdem finde ich es toll, dass der Sender ab dieser Staffel auch mehr Verantwortung übernimmt, das ist mir sehr wichtig.

Wo übernimmt der Sender mehr Verantwortung?

Was es auf jeden Fall in der neuen Staffel geben wird, ist von RTL-Seite aus eine Homepage, wo echte Adressen und Ansprechpartner drauf sind. So dass es für die Jugendlichen nicht nur die Sendung gibt, sondern nach diesen 23 Minuten auch die Möglichkeit, sich zu informieren: An wen kann ich mich wenden? Wo bekomme ich die Hilfe, die ich brauche?

Du bist mittlerweile auch viel als Coach unterwegs. Gab’s denn da schon mal Reaktionen wie „Wuah, ich kenne dich aus dem Fernsehen“?

Ja, das gab’s schon. Es ist aber viel unangenehmer, wenn du in einen Laden gehst. Ich bin schließlich viel unterwegs.

Und dann bin ich irgendwo in, wo war das denn letztens, wo war denn das… In Ratingen-Stadt. Und ich hatte ein bisschen Zeit und dachte: Ich brauche mal neue Schuhe. Und die Verkäuferin: „Ach, Sie waren schon paarmal öfter hier!“ Und dann stehe ich da: „Nee, noch nie!“ – „Doch, natürlich, wir kennen uns doch!“ Dann bin ich in der Bredouille, was soll ich denn sagen? „Kennen Sie mich aus dem Fernsehen?“ Ist ja total peinlich, das würde ich nie machen. Ich weiß in solchen Momenten nicht, wie ich damit umgehen soll.

Und außer dem Schuhladen?

Die schlimmste Situation war, als ich und mein Freund, er ist Sänger, in Goslar waren. Auf einem Konzert. Und der Moderator kündigte seine Band an, in dem Moment fingen ganz viele Mädels an zu kreischen. Und die Jungs haben sich total gefreut: „Ja cool, wie die alle reagieren!“ Und dann haben sie sich umgedreht. Da lief ich gerade, und die Mädels kamen auf mich zu gestürmt und schrien „Sarah Lee, Sarah Lee!“ Das war ein bisschen unangenehm, aber das Konzert war trotzdem super. (lacht)

Das Interview führte Marcel Fröbe. Es erschien am 25. Juli 2012 auf medienMITTWEIDA.

Bloggerin Julia Probst hat als Stimme der Barrierefreiheit schon einiges verändert. „Das ist erst der Anfang“, hat die Gehörlose Marcel Fröbe via Twitter verraten.

Julia Probst hat mit ihrem Blog viele Menschen für ein Thema sensibilisiert, dass ohne sie vermutlich nie auf die Agenda von Politik oder TV-Sendern gekommen wäre: Barrierefreiheit. Sowohl in den Medien, als auch in der Gesellschaft zeigt sie immer wieder Versäumnisse im Umgang mit behinderten Mitmenschen auf. Es ist ein wichtiges Thema, ist sich Probst sicher – und mit ihrer Hartnäckigkeit hat sie auch schon einiges erreicht. 2011 war dabei vermutlich ihr Jahr: Der Twitter-Chef zählte sie im amerikanischen Fernsehen als einzige Deutsche zu den zehn wichtigsten Usern seines Dienstes, die 30-Jährige wurde Bloggerin des Jahres. Marcel Fröbe hat die Frau, die wahrscheinlich unter ihrem Twitter-Alias @EinAugenschmaus bekannter ist als unter ihrem realen Namen, interviewt. Auf Twitter natürlich.

Zuerst mal herzliches Beileid, dein Laptop hat ja plötzlich den Geist aufgegeben. War das ein Schock für dich?

Ich brauch den schon sehr. *hmpf* Ich wollte sowieso ein MacBook kaufen… Aber ich dachte, er lebt noch bis Juli.

Sag mir Bescheid, wenn das Interview begonnen hat.

Hat es schon! Ich stelle ja auch gern provokante Fragen, dafür muss ich jetzt einen Tweet lang ausholen…

… Mittlerweile hast du den Spieß umgedreht und der @RegSprecher scheint dir fast schon die Wünsche von den Lippen abzulesen. Muss man da nicht größenwahnsinnig werden?

So schnell heb ich da nicht ab. Ich denke, dass der @RegSprecher und ich uns schätzen und auch Respekt voreinander haben. Manchmal springt mir die Regierung aber nicht so, wie ich es für notwendig halte, aber dafür kann Herr Seibert auch nichts. Aber immerhin bewegt sich die Regierung in Sachen Barrierefreiheit!

Definitiv. Hättest du mit so viel Erfolg, so viel Resonanz, gerechnet?

Nein, ehrlich gesagt. Ich wollte nur etwas Aufklärungsarbeit betreiben und damit ein Umdenken in Gang setzten. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dieses Umdenken ohne große Umwege auf dieser höchsten Ebene in Gang setzen kann – mit meinen simplen Aktivitäten.

Wann ist dir bewusst geworden, dass sich in der Behindertenpolitik etwas ändern muss?

Eigentlich schon als Teenager. Ich war eigentlich zu lange untätig, weil mir klar war, dass die besten Argumente ohne das passende Werkzeug nichts nützen. Und dann hatte ja ein gewisser Jack Dorsey die Idee zu Twitter…

Musstest du dich am Anfang überwinden? Schließlich gehört schon eine gehörige Portion Selbstbewusstsein dazu, so engagiert und offensiv für ein Thema einzutreten.

Etwas Überwindung kostete es mich auch am Anfang: Ich musste mich erst mal mit mir auseinander setzten, was meine Fähigkeit, nicht hören zu können, eigentlich mit meinem Leben macht. Und mit dem anderer Gehörloser. Ich habe mich nie im Leben ausschließlich darüber definiert, gehörlos zu sein. Ich bin nicht mein Defizit, ich bin einfach nicht meine Behinderung. Gehörlose Menschen werden am stärksten behindert im Leben. Menschen mit Behinderungen sind nicht behindert, sondern werden behindert. Hier in Deutschland ist es massiv so. Und wenn einem ein Thema am Herzen liegt, dann tritt man auch selbstbewusst dafür ein.

Mittlerweile hast du viele Menschen auf eure Alltagsprobleme aufmerksam machen können – und trotzdem musst du immer wieder ganz grundlegende Sachverhalte erklären. Wird man dessen nicht irgendwann müde?

Doch, manchmal nervt es mich schon. Ich fühle mich dann ans Mutterdasein erinnert, wo man sich zur Beruhigung das Mantra „Das ist nur eine Phase“ vormurmelt. Meines ist dann aber: „Sie können nichts für ihre Unwissenheit…“ *murmel* Demnächst möchte ich mein Blog aber so umbauen, dass alles klar ersichtlich ist, so dass ich nur noch verlinken muss.

Was würdest du ohne Twitter machen?

Wahrscheinlich hätte ich mich irgendwann für den Playboy im Namen der Barrierefreiheit ausgezogen, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Mein Blog würde ohne Twitter nicht so gut laufen, beides zusammen ist eine wundervolle Symbiose.

Jetzt muss ich natürlich fragen… Würdest du dich trotzdem für den Playboy fotografieren lassen – auch wenn es Twitter gibt?

Wenn die mir ein Angebot machen würden und ich das totale Mitspracherecht habe, warum nicht? Außerdem würde ich mich ja nicht für den Playboy ausziehen, sondern für Barrierefreiheit. Aber das mit dem Playboy ist ja auch eher ein Gedankenspiel.

Okay, zurück zum Thema. Du bekritelst oft, das bei öffentlich-rechtlichen Sendern die Untertitel verbesserungswürdig sind. Warum nicht auch mal bei RTL?

RTL hat Sonntags bei Blockbustern Untertitel, VOX am Donnerstag. Die Untertitel dort sind von der Qualität sehr schwankend. Natürlich sind die auch kritikwürdig, die Privaten finanzieren die aber selbst.

Was mich aber in erster Linie stört: Ab 2013 sollen Blinde, Gehörlose und Schwerhörige 6 Euro GEZ zahlen und so die Inklusion aus eigener Tasche zahlen. Bei gerade mal 14,6 Prozent Untertitelquote und bei der arg fragwürdigen Qualität ist das nicht gerecht.

Die Ministerpräsidenten der Bundesländer sollten sich schämen, dass sie damals beim 15. Rundfunkstaatsvertrag dem Wegfall der Befreiung der GEZ zugestimmt haben. Das ZDF hat zum Beispiel 30 Millionen Euro für das neue Nachrichtenstudio ausgegeben oder etwas über 50 Millionen Euro für die Champions League. Die ARD lässt für Übertragung von Boxkämpfen 54 Millionen springen. Das Geld ist bei den öffentlich-rechtlichen längst vorhanden. Sie sind nur nicht dazu bindend verpflichtet, das Geld in Barrierefreiheit zu investieren.

Würdest du also sagen: Die öffentlich-rechtlichen Sender sind „geldgeil“?

Ich würde sagen: Sie haben keine Ahnung, dass ein barrierefreies Angebot in höchster Qualität eine langfristige Investition in die eigene Zukunft und damit auch in den Ruf ist.

Du wolltest schon immer mal in eine Talkshow. Sind die Redaktionen zu feige, dich dann tatsächlich einzuladen?

Ja, vermutlich ist das tatsächlich der Fall. Verdenken kann ich es ihnen nicht, dass ihnen der Mut dazu fehlt, wenn schon der Mut zu 100 Prozent Barrierefreiheit fehlt. Ich bin da eine unbequeme Stechfliege, die sie nicht mehr so leicht wie früher abschütteln und damit ignorieren können. Das ist erst der Anfang, ich hab ja den Fuß erst rechts in der Tür!

Das heißt, du hörst auch nicht auf, bei den Redaktionen nachzufragen?

So wie ich das zum Beispiel auf Twitter mache oder live auf der re:publica, ja. Kommt denn auch mal die Frage, welchen Promi ich gerne treffen wollen würde?

Mir fällt da spontan eine Frage ein… Welchen Promi würdest du denn gern mal treffen wollen?

Barack Obama. Ich hatte ja schon das Vergnügen mit vielen deutschen Politikern sprechen zu können, auch kurz mit Frau Merkel. Und Jack Dorsey und Katie Jacobs Stanton traf ich ja schon. Mir fehlt in meiner Liste echt nur noch Obama.

Und was deutsche Politiker angeht: Ich will sie nicht treffen, sondern eher mitnehmen in eine Parallelwelt von der sie keine Ahnung haben.

Wie reagieren die eigentlich – geben Politiker und Medienvertreter offen zu, dass sie keine Ahnung vom Thema haben?

Ja. Und entschuldigen sich auch und geloben Besserung. Aber da passiert eben kaum etwas, weil sie den Atem der Behinderten nicht heiß genug im Nacken spüren.

Das klingt ja fast wie ein leiser Vorwurf an die Behinderten selbst. Engagiert sich der Großteil der Gehörlosen zu wenig für die eigenen Rechte?

Ich kann ihnen da so richtig keine Vorwürfe machen und es ist auch nicht ihre Schuld, wenn man weiß, dass die Gehörlosen und ihre Muttersprache bis in die 90er Jahre unterdrückt wurden. Den größten Teil des Vorwurfs müsste man eindeutig der deutschen Behindertenpolitik machen. Es gehören halt immer zwei dazu.

Was möchtest du persönlich noch erreichen?

Ich möchte ganz sicher erreichen, dass Deutschland den erschreckend schwachen eigenen nationalen Aktionsplan so weit überarbeitet, dass er die UN-Behindertenrechtskonvention deutlich erfüllt. Und nicht wie es jetzt der Fall ist, weit darunter liegt. Und vielleicht 2013 im Bundestag sitzen und den heißen Atem spielen. Obwohl ich wahrscheinlich die Quotenbehinderte wäre. Mir hat aber eine sehr liebe Politikerin gesagt, dass mir das an meiner Stelle egal sein müsste. Nun, jetzt habe ich zumindest die Möglichkeit und ich weiß selber noch nicht so genau, ob ich mit meiner Hartnäckigkeit, Direktheit und Ehrlichkeit etwas für den Politikbetrieb wäre. Schauen wir mal, wie ich mich entscheide.

Vielen Dank für das Interview. Und einen langen Atem!

Das Interview führte Marcel Fröbe. Es erschien am 24. Mai 2012 auf medienMITTWEIDA.

Im Interview spricht TV-Moderatorin Tine Wittler über ihr neues Buch, für das sie in Afrika den mauretanischen Schönheitsidealen auf den Grund ging. Ein ernstes Thema.

Tine Wittler kennen Millionen als RTL-Wohnexpertin. Die 38-Jährige beschwert sich schon lange nicht mehr darüber, wenn sie deshalb als „dick im Geschäft“ bezeichnet wird. Schließlich ist sie parallel zu ihrem TV-Job auch Unternehmerin, Wirtin und Buchautorin. Ihr Reisebericht „Wer schön sein will, muss reisen“ erscheint heute im Scherz-Verlag.

Während ihres Trips besuchte Wittler mauretanische Frauen. Dabei begleitete sie ein Freund mit Videokamera. Das mauretanische Schönheitsideal unterscheidet sich vom westlichen: Wittler fand Frauen, die sich mästen lassen oder lebensbedrohliche Medikamente einnehmen – nur um dicker und damit „schöner“ zu werden. Dabei lernen die Leser auch die TV-Persönlichkeit Tine Wittler anders kennen.

Frau Wittler, Sie beschreiben in Ihrem Buch, dass ein Internetnutzer herausgefunden hat, warum Sie in Ihrer RTL-Sendung immer Handschuhe tragen: Der Grund sei, dass Sie „ganz schlimme“ Warzen hätten. Haben Sie sich ertappt gefühlt?

Ertappt wobei? Nein, ich habe mich nur wie schon öfter gewundert, was andere Leute alles über mich zu wissen glauben – sogar Dinge, die mir selbst noch gar nicht bekannt waren.

Das Buch zeigt auch eine sehr nachdenkliche Tine, die sich zum Beispiel die Kommentare der User zu ihrer Person durchliest und danach auch mal mit Selbstzweifeln sitzen bleibt. Täuscht das Bild der taffen Fernseh-Frau?

Sie sagen es schon richtig, das Bild der „taffen Fernseh-Frau“ ist eben – nur – eines: Ein Bild. Jeder Mensch aber hat ja unterschiedliche Bilder, spielt unterschiedliche Rollen, hat gute und schlechte Tage, verschiedene Seiten. Das gehört zum Menschsein dazu. Selbstverständlich gibt es einen Unterschied zwischen der „Fernseh-Tine“ und der privaten Tine Wittler. Das ist auch absolut notwendig, um sich weiterzuentwickeln – jede Seite kann ja zum Beispiel von der anderen lernen. Dennoch halte ich komplette Deckungsgleichheit hier weder für erstrebenswert noch für notwendig. Das Showgeschäft ist das Showgeschäft – und mein Leben ist mein Leben. Diese beiden Seiten sind zwar bis zu einem gewissen Grad miteinander verwoben, aber sie sind keine identischen Kopien voneinander.

Sie haben Ihre Reise sorgfältig vorbereitet. Wie haben die Menschen dort auf Sie als Journalistin reagiert?

Es versetzt einem, glaube ich, immer zunächst einen kleinen Schock, wenn man ein Land bereist, in dem nicht nur in Sachen Schönheitsideal, sondern auch in Sachen Wohlstand oder Alltag ganz andere Maßstäbe herrschen. Die Reaktionen auf meine Fragen waren aber fast durchweg positiv. Ich habe erstaunlich offene Antworten erhalten und auch Dinge erfahren, die mich sehr überrascht haben. Zum Beispiel, wie stark und stolz die mauretanischen Frauen sind – obwohl sie in ihrem Land vor dem Gesetz sehr benachteiligt sind.

In Mauretanien gibt es ja viele Probleme, die wir uns in Europa kaum vorstellen können. Glauben Sie, dass die deutschen Medien zu wenig über die Zustände in solchen Ländern berichten?

Mauretanien findet tatsächlich in den deutschen Medien so gut wie gar nicht statt. Informationen über das Land habe ich oft aus spanischen oder französischen Medien beziehen müssen. Auch weiß allein mit dem Namen „Mauretanien“ kaum jemand etwas anzufangen – manche Leute verwechseln das Land gar mit Mauritius. Dabei ist es gar nicht so weit entfernt und liegt geografisch im Umfeld touristisch durchaus erschlossener Reiseziele wie Marokko oder Tunesien.

Sie waren in einer mauretanischen Talkshow zu Gast. War das für Sie als Fernsehmoderatorin Routine?

Nein, das war absolut keine Routine. Die Aufzeichnung hat am Ende meiner Reise stattgefunden. Die Moderatorin der Sendung wollte also von mir erfragen, was ich während meiner Reise gelernt habe. Es war nicht einfach, dies alles verständlich wiederzugeben, denn alle Eindrücke waren noch sehr frisch, sehr präsent und noch nicht so sehr geordnet. Aber ich habe mein Bestes zu geben versucht und hoffe, dass ich den Zuschauern klarmachen konnte, was mir der Besuch in ihrem wunderbaren Land bedeutet hat.

Sie sagen: „Wer schön sein will, muss reisen.“ Doch nach und nach lernen Sie die Schattenseiten des mauretanischen Schönheitsideals auch am eigenen Leib kennen. Hätten Sie nicht ein anderes Fazit ziehen müssen?

Der Titel „Wer schön sein will, muss reisen“ ist nach meiner Reise entstanden. Denn er beinhaltet genau das, was ich durch diese Reise erfahren habe: Wer an Kraft und Selbstbewusstsein gewinnen will, wer lernen und Erkenntnisse gewinnen will, der muss sich auf Reisen begeben, seine eigenen Grenzen sprengen und sich auf den Weg machen, Neues kennenzulernen. Mit „schön“ meine ich also mitnichten ausschließlich das Äußere! Die Offenheit gegenüber fremden Menschen und Kulturen; die Bereitschaft, über den eigenen Tellerrand zu blicken und zu lernen, dass die Maßstäbe, mit denen jeder von uns aufwächst, nur relative Maßstäbe sind, die nicht überall Geltung haben. Und zu erkennen, dass ich selbst entscheiden kann, ob ich diese Maßstäbe auch für mich selbst anlege: Ich glaube, das ist es, was einen Menschen letztendlich schön macht.

Was nehmen Sie von der Reise für Ihre weitere Arbeit mit?

Derzeit arbeiten wir daran, aus dem in Mauretanien gedrehten Material einen Film zu machen – eine spannende, intensive Aufgabe. Insofern habe ich auch jetzt noch tagtäglich mit meiner Reise zu tun. Nicht nur wegen dieser Arbeit, sondern weil die Veränderungen, die ich durch diese Reise erfahren habe, auch das ganze Leben danach beeinflussen. Ich hoffe, dass dieser Einfluss weiter bestehen bleibt und nicht irgendwann durch den Alltag nach der Rückkehr in das alte Leben zu verblassen droht.

Wann soll Ihr Mauretanien-Film veröffentlicht werden?

Es wird ein 90-minütiger Dokumentarfilm. Wir arbeiten derzeit am Schnitt, können aber noch nicht sagen, ob, wann und in welcher Form eine Veröffentlichung stattfinden wird.

Das Interview führte Marcel Fröbe. Es erschien am 23. Februar 2012 auf medienMITTWEIDA.

Konstantin Neven DuMont hat es im Oktober 2010 von der Vorstandsetage von M. DuMont Schauberg mit Negativschlagzeilen auf die Titelblätter geschafft: Die sogenannte Blog-Affäre blamierte den Verlegersohn in der gesamten Branche. Nachdem sich Neven DuMont in letzter Zeit zurückgezogen hatte, spricht er nun im Interview mit Marcel Fröbe über diese schwierige Zeit und seine Zukunftspläne.

Sie standen im Verdacht, im Blog des Medienjournalisten Stefan Niggemeier unter verschiedenen Pseudonymen kommentiert zu haben. Sie bestreiten das. Wer steckt dann dahinter?

Bevor Stefan Niggemeier diesen Verdacht äußerte, standen wir in einem intensiven Austausch. In diesem Zusammenhang hatte er mir mitgeteilt, dass er davon ausgehen müsse, dass ich nicht der Verfasser dieser anonymen Kommentare sei. Dennoch veröffentlichte er circa eine Woche später diesen Verdacht. Danach habe ich mich mit den zwei wirklichen Verfassern unterhalten. Sie haben mich aus Angst vor beruflichen Nachteilen eindringlich darum gebeten, ihre Namen nicht zu veröffentlichen. Ferner sagten sie, dass das doch alles gar nicht so schlimm sei und dass es sich bei den Beiträgen um „Kunst“ handeln würde. Auch in meinem Umfeld sprach sich die Mehrheit dafür aus, die Namen nicht zu veröffentlichen. Wenn ich zu diesem Zeitpunkt gewusst hätte, wie sich diese Geschichte weiterentwickeln würde, hätte ich wahrscheinlich anders gehandelt. Ich gebe zu, dass ich diese Geschichte zum damaligen Zeitpunkt nicht ernst genug genommen habe.

Sehen Sie sich als Opfer einer medialen Kampagne?

Ja, ich fühlte mich im Herbst als Opfer einer Kampagne. Zeitungen wie beispielsweise die Taz haben damals geschrieben, dass ich die Kommentare persönlich verfasst hätte und dass ich Hilfe brauchen würde. Es sollte der Eindruck vermittelt werden, dass ich nicht richtig „ticken“ würde. Der heutige Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, Kurt Kister, machte sich über meinen angeblichen Hang zur Esoterik lustig. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass ich mit Esoterik nichts am Hut habe und ihr sehr skeptisch gegenüberstehe. Obwohl solch eine große Kampagne gegen mich gefahren wurde, hat das meinem Ansehen auch aus heutiger Sicht nicht geschadet. Ich habe insbesondere auch im Management der Medienunternehmen nach wie vor einen guten Ruf. Das wird mir von verschiedenen Seiten immer wieder bestätigt. Auch sonst denke ich, dass sich die Kommentatoren mit dem, was sie da vor hatten, nicht durchgesetzt haben.

Wie hat es sich angefühlt, dermaßen in der Öffentlichkeit diskutiert zu werden?

Das ist natürlich jetzt auch wieder einige Zeit her, das heißt, dass sich meine Gefühlslage im Bezug auf diese Punkte auch schon wieder verändert hat. Grundsätzlich bin ich eigentlich gern in der Öffentlichkeit, weil ich dann auf Missstände aufmerksam machen kann, die mir persönlich wichtig sind. Beispielsweise der gescheiterte Umgang mit Gewaltverbrechern, soziale Gerechtigkeit oder Umweltschutz. In der Phase Oktober, November und Dezember fühlte ich mich insgesamt aber sehr ungerecht behandelt. Die Niggemeier-Geschichte war eine Sache. Aber das Skandalöse war, wie die sogenannten Qualitätsmedien darauf reagiert haben. Besonders schlimm waren die Wettbewerber der Zeitungen, die zu M. DuMont Schauberg gehören: Es wurden von ihnen eben auch Dinge behauptet, die nicht wahr sind. Das wurde dann leider nach der Fachpresse auch von weiteren Medien aufgegriffen. Die Medienredakteure haben hier zum Teil einfach voneinander abgeschrieben. So hatte sich dann ein völlig falsches Bild vervielfältigt.

Anschließend planten Sie öffentlich ein eigenes Internetportal. Wann startet das?

Ich gehe davon aus, dass es bald losgehen wird. Irgendwie kam in den letzten Monaten immer wieder etwas dazwischen. Es gibt wohl auch Menschen, die gar kein Interesse daran zu haben scheinen, dass meine Projekte an den Start gehen. Das zeigt sich in monatelangem, strafrechtlich relevantem Mobbing, der Tatsache, dass ich nicht ausgezahlt werde und allerlei sonstigen Ablenkungsmanövern. Es gibt aber auch noch andere Gründe, wie meinen Sportunfall und verzögerte Techniklieferungen aufgrund des Tsunamis. Ich will aber gar nichts entschuldigen oder rechtfertigen. Der Hauptgrund bin ich vermutlich selber. Ich brauchte einfach Zeit, mich zu sortieren beziehungsweise zu erden. Karriere ist eben doch nicht alles. Wenn man über 15 Jahre im sogenannten „Hamsterrad“ gelaufen ist, tut es gut, einfach mal die Seele baumeln zu lassen. Außerdem arbeite ich an diversen Drehbüchern und bereite Projekte vor. Sobald meine Rippenbrüche verheilt sind, wird das Tempo wieder erhöht.

Der Fokus Ihres Internetprojekts soll auf Medienkritik liegen. Was würden Sie just in diesem Moment an den Medien kritisieren?

Ich habe den Eindruck, dass vor allem die sogenannten „Qualitätsmedien“ zu viel über Banales berichten. Als Beispiel möchte ich die Hochzeit von William und Kate nennen. Diese wurde von ARD und ZDF zeitgleich übertragen. So bleiben wichtige gesellschaftspolitische Themen auf der Strecke. Die „Gier“ nach Quote scheint sich immer mehr durchzusetzen.

Auch weil die Medien ihrer Kontrollaufgabe nicht ausreichend gerecht würden, vertraut Neven DuMont durchaus auf den Mediennachwuchs. Gerade jetzt brauche es junge und engagierte Medienmacher. Darüber spricht er unter anderem im folgenden Videobeitrag.

Zusätzlich erschien ein Video-Interview, in dem Konstantin Neven DuMont weitere Fragen beantwortet.
Das Interview führte Marcel Fröbe. Es erschien am 06. Mai 2011 auf medienMITTWEIDA.

Angela Finger-Erben ist als RTL-Moderatorin unter anderem bei den morgendlichen News-Magazinen ihres Senders zu sehen. Im Interview bedauert sie, dass das Fernsehen immer mehr zum Nebenbeimedium wird. Dennoch haben die klassischen Nachrichten ihrer Meinung nach auch im TV eine Zukunft.

Ihre stets gute Laune und ihre charmante Art haben Angela Finger-Erben bei vielen Frühaufstehern bekannt gemacht. Sie moderiert im Doppel mit Wolfram Kons die RTL-Magazine Punkt 6 und Punkt 9. Selbst nach mehreren Jahren vor und hinter der Kamera hat das Medium Fernsehen für sie nichts von seiner Faszination verloren. Auch wenn sie zugibt, mittlerweile einen Großteil ihrer Informationen über das Internet zu beziehen.

Steile TV-Laufbahn

Finger-Erben begann ihre Fernseh-Karriere an der Fakultät Medien der Hochschule Mittweida, wo sie ihre ersten Moderationserfahrungen beim Jugendmagazin „Propeller TV“ sammelte. Nachdem sie 2006 ihr Medienmanagement-Studium abschloss, wurde sie „Guten Abend RTL“-Reporterin und berichtete später für verschiedene Magazine aus dem australischen Dschungel. Am 2. März 2009 moderierte sie zum ersten Mal Punkt 6 und Punkt 9 bei RTL. Auch wenn sie nicht auf der Mattscheibe zu sehen ist, arbeitet sie für den Kölner Privatsender – als VIP-Redakteurin für Punkt 12.

 

[Transktibiert von der veröffentlichten Audio-Slideshow.]

Frau Finger-Erben, wird denn das Fernsehen ein Nebenbei-Medium?

Ich denke schon, dass gerade junge Leute im Moment das Internet aktiver benutzen und den Fernseher dann so nebenher laufen lassen. Und wenn man im Internet surft, dann hat man ganz bestimmte Themen, denen man vollste Aufmerksamkeit schenkt und jetzt gar nicht so wirklich zum Fernseher guckt. Außer wenn man ein Schlagwort hört – dann guckt man doch mal genauer hin.

Ich merke das auch bei mir selbst: Wenn ich nach Hause komme, ich mache das Gerät an und dann habe ich eine Geräuschkulisse. Das ist fast ein bisschen wie Radio. Man lässt sich so ein bisschen Berieseln und hat bunte Bilder. Aber es wird immer seltener glaube ich, gerade bei jungen Leuten, dass sie zu einem gewissen Zeitpunkt einschalten und genau das gucken wollen – weil sie einfach mehr vor dem Internet sitzen. Deswegen glaube ich schon, dass das Fernsehen immer mehr zum Nebenbei-Medium wird. Leider.

Haben denn dann die klassischen, also „harten“ Nachrichten eine Zukunft im Fernsehen?

Es gibt natürlich ein Problem: Weil die Nachrichten gibt es im Moment ja jederzeit und überall. Jeder checkt Nachrichten auf seinem Smartphone, Handy, man hat das Internet, Radio, Zeitungen. Es gibt wirklich sehr, sehr viele Medien wo man die Nachrichten dargeboten bekommt. Aber nichtsdestotrotz bekommt man um eine ganz gewisse Uhrzeit auf den unterschiedlichen TV-Sendern 15 Minuten Nachrichten. Und da hat der Zuschauer dann schon das Gefühl: „Oh, ich weiß jetzt, was auf der Welt passiert ist an diesem Tag. Mir geht es gut.“ Das gibt ja einem dann auch das Gefühl: „Bei mir in der Region ist nichts schlimmes passiert, mir geht es gut.“

Und die Sender geben sich natürlich auch Mühe, die haben neue News-Studios mit viel Hightech. Für den Zuschauer wird es einfach interessanter, also es wird interessanter für die Zuschauer auch gemacht. Und an den Einschaltquoten sieht man ja auch, dass die Nachrichten auf jeden Fall geguckt werden. Und deswegen: Die harten, klassischen Nachrichten, die haben auf jeden Fall eine Zukunft.

Wie weit müssen TV und Internet noch verwachsen?

Ich denke, dass Fernsehen und Internet schon längst miteinander verwachsen sind. Man kann sich im Internet alles anschauen, was im Fernsehen schon gelaufen ist. RTL NOW, da kann man sich wirklich alle Serien, Unterhaltungsformate angucken. Auf YouTube kann man sich die ganzen Videos anschauen. Auf Facebook wird ganz, ganz viel diskutiert. Deswegen denke ich, dass das schon verwachsen ist.

Ihre Sendungen Punkt 6 und Punkt 9 gibt’s ja aber noch nicht bei RTL NOW.

Ja, das ist auch eine Marktlücke. (lacht) Das sollte ganz, ganz schnell auch ins Internet kommen, weil es natürlich auch ein News-Magazin ist, ein Unterhaltungsmagazin – das fehlt natürlich noch! Da sollten wir nochmal mit unserem Chef reden!

 

Ob die Befürchtung beziehungsweise die Hoffnung, der Zuschauer hätte bereits alles im Fernsehen gesehen, gerechtfertigt ist, verrät Finger-Erben im morgigen zweiten Teil des Gesprächs. Außerdem erzählt sie, warum sie die Medienfakultät der Hochschule Mittweida immer weiterempfiehlt.

Das Interview führte Marcel Fröbe. Vom Audio-Interview transkribiert, dessen Teil 1 am 9. Februar 2011 auf medienMITTWEIDA erschien.

Das Medienjahr 2010 ist beinahe zu Ende. Dabei bot es eine Vielzahl kurioser Geschichten, die selbst das Scripted-Reality-TV nicht besser hätte schreiben können. Ein unrepräsentativer und äußerst unvollständiger Jahresrückblick, von Freiheitsberaubung hin zu gescheiterten Trash-Offensiven.

Aus Mediensicht war 2010 ein spannendes Jahr: Das iPad ließ Hoffnungen der Verlage keimen. Die deutsche Alternative, WePad oder WeTab, wie es seit 7. Mai heißt, hatte Anlaufschwierigkeiten. Bis Richard Gutjahr aufdeckte, dass Firmenchef Helmut Hoffer von Anckershoffen selbst der größte Fan seines Produkts ist. Mit Flattr startete ein Bezahlmodell für Online-Content und das Supertalent holte Traumquoten für RTL. Eine deutsche Sporttageszeitung sollte ihren Platz im Presseregal einnehmen – praktisch unbemerkt von Kioskbetreibern und der Öffentlichkeit.

15. März: Endlich eine tägliche Sport-Zeitung für Deutschland

Der „Sport-Tag“, mit dem Verleger Michael Hahn eine Marktlücke schließen wollte, legte am 15. März laut Medien-Experten einen Fehlstart hin. Das Zeitungsprojekt mit großen ausländischen Vorbildern wie Gazzetta dello Sport, Marca oder L’Equipe hatte auch knapp zwei Monate später keine Fahrt aufgenommen. Schnell wurde die Erscheinungsfrequenz des Mediums von täglich auf wöchentlich gedrosselt, damit wurde jedoch die Überlegenheit der Konkurrenz deutlicher: Denn Der Sport-Tag lag nun am selben Tag wie der Kicker am Kiosk. Letztendlich bewogen die „katastrophalen Abverkäufe, die umgerechnet sogar unter denen der täglichen Ausgaben lagen“ die SIM Verlagsgesellschaft am 10. Mai zur Einstellung des Projektes. Dabei hatte sie in ersten Ausgaben noch Verstärkung gesucht. Auch Redakteure – einzige Einstellungsvoraussetzung: „Was Sie bisher über Sport geschrieben haben wurde auch veröffentlicht“.

10. Juni: Alle aus dem Weg – Jauch kommt!

Wie die ARD am 10. Juni mitteilte, moderiert Günther Jauch ab Herbst 2011 im Ersten. Das bisherige RTL-Aushängeschild bleibt seiner Show „Wer wird Millionär?“ zwar treu, verabschiedet sich aber von Stern TV. Im Ersten bekommt er dafür den Sendeplatz von Anne Will am Sonntag. Unschön: Anne Will erfuhr davon im Urlaub – aus den Medien. Aufgrund der Zeitverschiebung hätte sie der NDR-Intendant nicht erreichen können. Doch nicht nur sie erhält einen neuen Sendeplatz. Auch Frank Plasberg und Reinhold Beckmann müssen mit neuen Sendeterminen Vorlieb nehmen. Die Runfunkräte des MDR, des BR und des WDR kritisierten die Entscheidungen der ARD, fünf Talk-Runden pro Woche seien zu viel. Zumindest einen dürfte die ARD nach dem Hin und Her nicht vergrault haben: Günther Jauch, für den nun ein gemachtes Nest beim Öffentlich-Rechtlichen steht.

19. August: RTL II macht „fun“

RTL II gab das Scheitern seiner neuesten Trash-Offensive bekannt. Der Sender hatte versucht, die von Big Brother hinterlassene Programmlücke mit gleich drei neuen Formaten zu füllen: „Tattoo Attack – Promis stechen zu“, „Abenteuer Afrika – Deutsche Teenies beißen sich durch“ und „Das Tier in mir“ versprachen ohnehin alles andere als Authentizität. Tatsächlich mussten sich übergewichtige Jugendliche in Afrika durchkämpfen und schlüpften B- und C-Promis in die Rolle von Tieren. Das war zu viel – für Zuschauer und Medienjournalisten. Sowohl Quote wie auch Kritik fiel verheerend aus. Der Ausgangspunkt für ein Umdenken im Privatsender? Jedenfalls verabschiedete sich das Medienunternehmen prompt von seiner Unterhaltungschefin und gelobte in einer Pressemitteilung Besserung. Doch Gut Ding will Weile haben. Denn obwohl RTL II dem zuvor präsentierten Menschenzoo – in Maßen – abgeschworen hat, bleibt der Sender mit „X-Diaries“ dem Genre der Pseudo-Doku treu. Einzelne Folgen der ebenfalls im August gestarteten Soap wurden derweil von der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen beanstandet. Aber das sollte mit Humor genommen werden. Wie sagt der Sender-Claim so schön? „It’s fun.“

14. Oktober: „Freiheitsberaubung“ bei den Öffentlich-Rechtlichen

Nach einem Bericht des Online-Portals der WAZ mussten die Live-Zuschauer bei der Produktion der ZDF-Show „Rette die Million!“ sieben Stunden ausharren. Grund dafür war, dass sich neben den 350 Gästen auch ein siebenstelliger Geldbetrag im Raum befand. Um die Vorgaben der Versicherung zu erfüllen, habe sich die Aufnahmedauer mit langen Wartezeiten ausgedehnt, so eine Sprecherin der Produktionsfirma. „Wir bekamen nicht ein Wasser zu trinken, wir durften nicht zur Toilette gehen“, erinnerte sich die Besucherin Doris Helbig. Nach fünfeinhalb Stunden hätte es ein Zuschauer-Block gewagt, die Aufzeichnungen zu verlassen. „Danach haben die Mitarbeiter der Produktionsfirma Endemol regelrecht gebettelt, dass der Rest im Studio bleibt.“ Wahrscheinlich ein echtes Novum 2010: Wann haben Fernseh-Mitarbeiter zuvor bei der Ausübung ihrer Arbeit betteln müssen? Auch nach dem Ende der Show hatten die Zuschauer sitzen zu bleiben – schließlich musste das Geld nachgezählt werden. Ob die Fernseh-Leute auch dafür bettelnd durch die Zuschauer-Reihen ziehen mussten ist nicht überliefert. Von diesen Zwischenfällen bemerkte der Fernsehzuschauer bei der ausgestrahlten Sendung natürlich nichts. Trotzdem entschuldigte sich das ZDF für die Unannehmlichkeiten. Die Gäste hatten schließlich zwölf Euro Eintritt bezahlt. Wobei das pro Stunde nur zwei Euro macht – ein prima Preis-Leistungs-Verhältnis, oder?

18. Oktober: Konstantins dunkles Geheimnis aufgedeckt

In einem Blogeintrag des Medienjournalisten Stefan Niggemeier wurde Verlegersohn Konstantin Neven DuMont verdächtigt, unter verschiedenen Synonymen hunderte Kommentare in dessen Weblog verfasst zu haben. Was damals niemand ahnte: Die Geschichte hat sich Dank der Interviewbereitschaft DuMonts bis heute gehalten. So schaffte es die Entdeckung Niggemeiers von dessen Blog in die Bild, den Spiegel und den Focus. Am 9. Dezember wurde bekannt, dass Konstantin Neven DuMont nach seiner Funktion als Herausgeber verschiedener Print-Titel auch den Vorstandsposten bei M. DuMont Schauberg verloren hat. Doch das brachte die teils äußerst abstrusen Verwicklungen nicht zu einem Ende. Der öffentlich geführte Familienzwist wird wohl im nächsten Jahr fortgesetzt. Auch plant DuMont eine Website für Medienkritik und eine Karriere als Moderator. Was daraus geworden ist, findet sich zu gegebener Zeit auf medienMITTWEIDA – im Jahresrückblick 2011.

Ein Jahresrückblick von Marcel Fröbe. Der Artikel erschien am 23. Dezember 2010 auf medienMITTWEIDA.

Die Axel Springer AG möchte iPad-Nutzer für die digitale Bild zur Kasse bitten. Für das Tablet erschien Anfang Dezember eine kostenpflichtige App, gleichzeitig wurde die Website des Boulevard-Blatts für iPad-Zugriffe gesperrt. Eine Glosse.

Schwer muss das Leben als Bild-Zeitung sein. Nach einem Tag schon wird das Printprodukt beiseite gelegt, alt und unansehnlich ist es dann. Bestenfalls, denn womöglich wird Fisch in die Zeitung gewickelt. Ohnehin, so richtig mag niemand die Bild-Zeitung: Verleugnet, „Nein – ich lese so was doch nicht.“ Ein fader Beigeschmack, wenn keiner zugibt, einen gern zu haben.

Doch dafür hat der Axel Springer-Verlag eine Lösung: Die digitale Bild soll ihre wahren Freunde finden. Doch was sind denn Zeitung’s echte Freunde in der Internetepoche? Es sind die, die für Inhalte auch online im Kleingeldbeutel kramen. Die Umsetzung – ganz simpel. Man programmiere eine iPad-App und verriegele im Gegenzug die eigene Webseite für iPads. Einmal umrühren, fertig. Nun werden die Menschen in Strömen die App laden, um 79 Cent pro Ausgabe zu zahlen und damit 19 Cent mehr als für ein gedrucktes Exemplar. Jede Menge Leute zum Spielen, fein, mag sich die Bild denken.

Wann hatte der Nutzer zuletzt so viel Spaß?
Oder: Echte Freunde zum Versteckspiel

Das Boulevard-Blatt hat sogar schon einige Spiele vorbereitet. So muss die zahlende Kundschaft beispielsweise virtuellen Sand von einem Artikel fegen, um diesen lesen zu können. Doch wird das die Kumpanen wahrscheinlich nur so lange bei Laune halten, wie die Sandkästen der Republik überfroren sind. Ob im Sommer dann Schnee von den Texten geschaufelt werden muss, ist noch unklar.

Abseits dessen zeigt die schöne, neue iPad-Welt bereits hässliche schwarze Löcher. Durch diese lässt sich die Tablet-Sperre umgehen. Zu allem Übel dürfte das dem zahlungsunwilligen, falschen Freund noch nicht einmal schwer fallen. Es reicht aus, mit einem anderen als dem vorinstallierten Browser bild.de aufzurufen. Schon strahlen den User wie eh und je plakativ-boulevardeske Storys entgegen. War der ganze Spaß also ernst gemeint? Oder vertreibt sich bild.de derweil die Zeit mit Verstecken spielen? Eine gute Frage, wahrscheinlich kennt nur der SMS-Guru die Antwort. Doch der hielt sich bedeckt – zugegebenermaßen wollte ich keine 1,99 Euro für eine ein- bis zweisätzige Antwort investieren. Das sind immerhin 2,518987 iPad-Bild.

Klar ist jedoch, dass sich die Axel Springer AG mit ihren Online-Strategien auf Erfolgskurs befindet. Schließlich sagt sie das oft genug. Auch die neuen Schritte setzt der Medienkonzern in die richtige Richtung. Durch die Sperrung der Bild-Seite für Apples Tablet vergrault der Verlag zwar einhundert Prozent seiner iPad-Nutzer. Doch so einfach ist die Rechnung dann doch nicht, denn die Bild kann jetzt kräftig sparen. Weniger Visits, geringere Anforderungen an die Server – von der Redaktion ganz zu Schweigen.

Dafür erscheint das Blatt digital bereits am Vorabend. Zum Glück haben sich die Macher nicht dazu entschlossen, die Zeitung von morgen schon zwei oder drei Tage früher online zu stellen. Denn dann wären sie ja auf das Terrain von Astro TV vorgestoßen. Eine ekelhafte Schlammschlacht hätte das gegeben. Oder Sandschlacht?

Von Marcel Fröbe. Der Artikel erschien am 16. Dezember 2010 auf medienMITTWEIDA.